Auf der diesjährigen Eurobike, der weltgrößten Fahrradmesse, waren sie eine Art Publikumsliebling: Fahrzeuge mit großen Transportkästen im Huckepack und vollverkleidete Mehrsitzer. Die meisten davon besitzen Pedale und werden teilweise mit Muskelkraft betrieben. Einige fahren hingegen komplett mit Motor. Aber sind sie noch Fahrräder oder schon kleine Autos und Transporter?
Weder noch, erklärt Stefan Reisinger, Geschäftsführer der fairnamic GmbH, die die Fahrradmesse veranstaltete: „Dabei handelt es sich um einen neuen Markt. Das Segment ist zwischen Fahrrad und Automobil angesiedelt.“ Überschneidungen und Synergien ergeben sich dadurch, dass viele Hersteller der Fahrradbranche Komponenten für sogenannte Ecomobile bereitstellen. Die rechtliche Zuordnung ist allerdings unterschiedlich: Besitzen die Fahrzeuge Pedale, leistet der Motor maximal 250 Watt und unterstützt er bis zu einer Geschwindigkeit von bis zu 25 km/h, gelten sie als Fahrräder. Für alle anderen Gefährte, deren Motoren für maximal 45 km/h ausgelegt sind, greifen andere Regelungen. Sie dürfen beispielsweise nicht auf Radwegen fahren.
Der Begriff Ecomobilität umfasst einen bunten Strauß von Fahrzeugen. Dazu zählen E-Scooter und Cargobikes ebenso wie Light Electric Vehicles, kurz: LEVs. Sogar elektrische Rollstühle werden dazu gerechnet, also eigentlich alles, was einen Elektromotor besitzt und nicht Auto ist. „Diese Vielfalt von Fahrzeugen bildet die Vielfalt von Mobilitätsbedürfnissen ab und bietet individuell passende Lösungen“, sagt Monika Zimmermann, die dem Vorstand des Verkehrsclub Deutschland (VCD) angehört. Ihrer Ansicht nach besitzen sie das Potenzial, die Mobilität in den Städten zu verändern – weg von voluminösen Autos mit Verbrennern und hin zu möglichst kleinen Fahrzeugen, die keinen Lärm verursachen, die Luft nicht belasten und weniger Platz beanspruchen.
„Ecomobile hinterlassen einen deutlich geringeren CO₂-Fußabdruck als zum Beispiel klassische Lieferwagen“, betont Reisinger. Auch Wasilis von Rauch, Geschäftsführer des Verbands Zukunft Fahrrad, erkennt in dieser Mobilitätsform das Potenzial, die Lebensqualität insbesondere in dicht besiedelten Städten zu verbessern. Sie habe zudem positive Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit: Wenn mit geringerem Tempo gefahren werde, gebe es deutlich seltener Unfälle mit Toten und Schwerverletzten, sagt er.
Kritisch sieht er allerdings, dass Ecomobile auf Radwegen fahren dürfen, wenn sie noch als Fahrräder gelten: „Unsere Radwege können schon jetzt nicht mehr den ganzen Verkehr aufnehmen. Wir sehen momentan keinen Platz für größere Fahrzeuge auf Infrastruktur, die fürs Fahrrad vorgesehen ist“, erklärt er. „LEVs gehören nicht auf Radwege“, pflichtet Zimmermann ihm bei. Reisinger fordert, dass die Infrastruktur entsprechend angepasst wird – zumindest dort, wo es möglich ist. So sollten neue Radwege breit genug gebaut werden. Auch auf Fahrradstraßen oder Pop-Up-Radwegen, zum Beispiel Fahrspuren, die baulich vom Rest der Straße getrennt werden, könnten LEVs gut fahren, ergänzt von Rauch: „Vor allem in dicht besiedelten Quartieren herrscht absoluter Platzmangel. Daher müssen Flächen umverteilt werden, was auch zulasten des ruhenden Verkehrs geht.“ Sinnvoll sei es zudem, in den Städten Tempo 30 als Regelhöchstgeschwindigkeit einzuführen.
Der mögliche Einsatzbereich von Ecomobilen ist groß. „Die meisten Strecken, die im Alltag zurückgelegt werden, betragen weniger als 12 Kilometer. Dafür sind solche Fahrzeuge in der Regel ausreichend“, sagt Zimmermann. Bereits jetzt könnten mehr als 70 Prozent aller Wege in der Stadt mit Fahrrädern bewältigt werden, sagt von Rauch: „Mit der leichten Ecomobilität kommen noch ein paar Prozentpunkte dazu.“ Autofahrten könnten dann auf ein Minimum reduziert werden.
E-Roller dienen bereits jetzt häufig als Zubringer zu Bus- und Bahnhaltestellen, Microcars und kleine Elektrotransporter können gut sowohl im gewerblichen als auch im privaten Bereich eingesetzt werden. Denkbar ist etwa, dass Handwerksbetriebe, Pflegedienste und Hausmeister-Services damit mobil sind. Die Fahrerinnen und Fahrer sitzen geschützt, der Stauraum reicht in der Regel aus, um Arbeitsmittel zu transportieren. Eine Abstellfläche findet sich meist leicht – zumindest einfacher als mit dem Pkw. Reisinger geht davon aus, dass vor allem in städtischen Quartieren in einigen Jahren die Nahversorgung mit Kleinfahrzeugen erfolgt: „Sie wird künftig elektrisch sein.“ Lieferdienste können damit die letzte Meile von zentralen Depots zurücklegen und Familien Einkäufe erledigen und die Kinder zur Kita bringen.
Auf dem Land könne Ecomobilität künftig ebenfalls eine große Rolle spielen, sagt von Rauch: „LEVs können hier meist problemlos auf der Straße fahren, weil sie gut sichtbar sind.“ Allerdings sollte dann die zulässige Höchstgeschwindigkeit verringert werden, sagt Zimmermann. Sie hält auch straßenbegleitende oder landwirtschaftliche Wege für geeignet, um darauf mit elektrischen Kleinfahrzeugen zu fahren.
Die Preise für LEVs belaufen sich oft auf einen fünfstelligen Betrag. Dafür ist auch ein Kleinwagen erhältlich. Allerdings seien die Betriebskosten für Ecomobile deutlich geringer als für Pkw, weil für sie keine Steuern und Versicherungen bezahlt werden müssten, sagt Zimmermann. Außerdem fielen weniger und vergleichsweise günstige Reparaturen an. Ein weiterer Vorteil der Ecomobilität: Dafür ist kein Führerschein erforderlich. Für die Alltagsmobilität seien die Akkukapazitäten in der Regel ausreichend, sagt von Rauch. Das Problem langer Ladezeiten lasse sich etwa dadurch lösen, dass Akkus an Stationen ausgetauscht werden können.
Zimmermann ist davon überzeugt, dass sich Ecomobile durchsetzen werden: „In zehn, zwanzig Jahren gehören sie zum Stadtbild wie heute Lastenräder.“ Reisinger spricht gar von einer „natürlichen Evolution, die vom Fahrrad zum E-Bike und vom E-Bike zur Ecomobilität“ führe. Die Veranstalter der Eurobike haben jedenfalls angekündigt, kommendes Jahr das Thema auf der Fahrradmesse eigenständig zu behandeln. Das neue Format für Elektroleichtfahrzeuge wird Mobifuture heißen.
2025-07-02T12:45:07Z