RüCKRUFE - PFUSCH AB WERK - WARUM PLöTZLICH SO VIELE AUTOS IN DIE WERKSTATT MüSSEN

Der Abgasskandal hat bei vielen noch bleibende Erinnerungen hinterlassen und führte zu zahlreichen Rückrufen. Allerdings machen Probleme mit dem Abgassystem tatsächlich nur einen kleinen Teil der Rückrufe bei Autos aus. Oft sind falsch verbaute Teile die Ursache - und manchmal handelt es sich sogar um lebensrettende Komponenten.

Haben Sie schon einmal Post vom Hersteller Ihres Autos oder vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) bekommen? Ähnlich wie Briefe vom Finanzamt sollte man die nicht zur Seite legen oder gar komplett ignorieren, denn im schlimmsten Fall riskiert man damit einen Unfall - oder die Stilllegung des Autos. Rückrufe, egal ob sie nun freiwillig vom Hersteller durchgeführt werden oder verpflichtend auf Druck und unter Kontrolle des Kraftfahrt-Bundesamtes, sind ebenso wichtig wie ärgerlich für Autofahrerinnen und Autofahrer.

Rückrufe bei Autos können verpflichtend oder freiwillig sein

Dramatisch klingen vor allem Rückrufe, bei denen es um Brandgefahr geht. Das betraf zuletzt hunderttausende Modelle von Mercedes . Auch Elektroautos   sowie zahlreiche Plug-In-Hybride wurden schon wegen potenzieller Brandgefahr zurückgerufen . Immerhin: Die Aufmerksamkeit der Autohersteller und auch der Kontrollbehörden ist heute wesentlich größer als früher, auch deshalb, weil das Internet und soziale Medien enormen Druck auf die Autobauer ausüben können. Im Zweifel wird da ein Rückruf eher früher als später angeordnet, um auf der sicheren Seite zu sein.

Diese Probleme verursachen die häufigsten Rückrufe

Doch warum werden eigentlich so viele Fahrzeuge zurückgerufen? Allein in Deutschland waren es laut Kraftfahrt-Bundesamt im Jahr 2023 mehr als 13.000 Rückrufe, betroffen waren Millionen von Fahrzeugen. Die Allianz Direct-Versicherung hat eine Umfrage zur Ermittlung der Fahrzeug-Zuverlässigkeit in Auftrag gegeben. Dazu untersuchten sie, welche Teile, Systeme und Komponenten am anfälligsten für Schäden oder fehlerhaften Einbau sind (die komplette Untersuchung finden Sie über diesen Link).

Auch wenn die Rückrufe im Rahmen des Diesel-Skandals wegen Betrugs-Software vielen noch im Gedächtnis sind, machen sie mittlerweile nur noch einen winzigen Teil der Statistik aus:

  • In rund der Hälfte der Fälle sind entweder defekte Fahrzeugteile und -komponenten (37 Prozent aller Rückrufe) oder falsch eingebaute Teile (13 Prozent) die Ursachen ; also klassischer Pfusch, trotz des hohen Automatisierungsgrades und der in der Regel strengen Qualitätssicherung bei den Autoherstellern.
  • Nur eine kleine Zahl der Rückrufe betrifft das Abgassystem, Lecks oder das Kraftstoffsystem des Wagens.

Welche Komponenten besonders anfällig sind

Bei den betroffenen Komponenten, die für den Rückruf verantwortlich sind und dann in der Werkstatt kontrolliert und eventuell ausgetauscht werden müssen, sticht besonders ein Teil hervor:

  • Die meisten Rückrufe (10 Prozent bzw. 1358 Vorfälle) liegen an potenziell defekten Airbags . „Airbags sind entscheidende Sicherheitsbauteile, die bei einem Unfall ausgelöst werden, um die Insassen zu schützen. Die Airbags sind für über fünfmal mehr Kfz-Rückrufe verantwortlich als die Batterie“, so die Experten der Allianz-Versicherung. Tatsächlich ist der berühmte Rückruf von Airbags des mittlerweile insolventen Herstellers Takata die größte Austausch-Aktion, die jemals durchgeführt werden musste. Nach mehreren Todesfällen wurden allein bis 2020 rund 100 Millionen Autos in die Werkstätten beordert; betroffen waren fast alle großen Autohersteller von Toyota über BMW bis Volkswagen oder Ford. Und noch immer gibt es wegen dieses Problems einzelne Rückrufe - so erst im März 2024 von BMW .
  • An zweiter Stelle (knapp neun Prozent) geht es um defekte Motorkomponenten.
  • Es folgen das Differentialgetriebe (sieben Prozent) und die Federung mit 2,9 Prozent.

Bananen-Strategie: Wenn ein Produkt bei dem Kunden reift

Als Gründe für die zahlreichen Rückrufe der letzten Jahre nennt Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach unter anderem den hohen Veränderungsdruck auf die Branche. Toleranzen würden immer enger. Neue Produkte kämen schneller und unfertig auf den Markt und „reiften erst beim Kunden“, so Bratzel. Dazu kommen Effekte der Gleichteile-Strategie und einer weltweit vernetzten Automobilindustrie: Fehlerhafte Komponenten sind nicht mehr nur in einem Modell eingebaut, sondern oft in ganzen Modellfamilien über mehrere Konzernmarken, was die Zahl der betroffenen Fahrzeuge erhöht.

Worauf Autobesitzer achten sollten

Rückrufe, zumal die offiziell angeordneten, sind nur ein Teil der Dinge, die in der Werkstatt oft im Rahmen von Routine-Inspektionen kontrolliert und still und leise geupdated werden. Autobesitzerinnen und -besitzer sollten nicht nur aus eigenem Interesse darauf achten, dass Rückrufe ordnungsgemäß abgearbeitet werden:

  • Achten Sie bei der Inspektion auf (oft kostenlose) Posten wie „Serviceaktion“ in der Rechnung und lassen Sie sich diese explizit erläutern: Was wurde gemacht und warum? Oft informieren Werkstätten die Kunden nicht explizit darüber. Sie können auch schon beim Vorab-Check danach fragen.
  • Wenn Sie ein offizielles Rückrufschreiben vom Hersteller und / oder vom KBA bekommen, machen Sie möglichst bald einen Termin in der Werkstatt aus. Ignorieren Sie so ein Schreiben, gefährden Sie bei sicherheitsrelevanten Rückrufen nicht nur im schlimmsten Fall sich und andere, sondern müssen auch damit rechen, dass das KBA Ihren Wagen stilllegt . Dies passiert regelmäßig, wenn auf wiederholte Rückruf-Aufforderung nicht reagiert wird.
  • Lassen Sie sich durchgeführte Rückrufe von der Werkstatt ggf. schriftlich bestätigen.
  • Wenn Sie ein Auto kaufen oder verkaufen, sollten Sie ebenfalls darüber informiert sein bzw. den Käufer darüber informieren, ob es für das Auto Rückrufe gab und ob diese auch durchgeführt wurden.

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