Der Mercedes W 118 kam nie auf den Markt. Sein Motor hingegen schon – im ersten Audi der Nachkriegsgeschichte.
Fritz Nallinger, Entwicklungsvorstand der Daimler-Benz AG, möchte mit dem W 118 zwei Probleme lösen: Mercedes fehlt ein kleineres Modell und der Auto Union ein Nachfolger für die Zweitaktmodelle von DKW.
Denn 1958 kauft die Daimler-Benz AG die Auto Union AG und 1962 das Düsseldorfer Werk der Auto Union. Im selben Jahr schickt Nallinger Ludwig Kraus nach Ingolstadt, um dort Probleme mit den Zweitaktmotoren des DKW F 102 zu lösen. Im Gepäck: Der 1,7-Liter-Vierzylindermotor von Daimler mit dem Codenamen "Mexico", der ursprünglich als Vielstoffmotor für militärische Anwendungen entwickelt wurde.
Er soll im W 119 zum Einsatz kommen, einer weiterentwickelten Version des W 118 mit vier Türen. Auffällig sind der lange Radstand und der Stern im Kühler, den es bei Mercedes-Benz sonst nur beim SL gibt. Niedrige Gürtellinie, filigranes Dach und große Fensterflächen stellen eine stilistische Nähe zum W 113 dar, der 1963 als 230 SL auf den Mark kommt und wegen der Form des Hardtops als "Pagode" bekannt wird.
Nallinger erklärte kurz vor seiner Pensionierung 1965, dass angedacht gewesen sei, dieses kleinere Modell bei der Auto Union zu bauen. Seine Idee, einen kleineren Mercedes auf den Markt zu bringen, wurde 1982 mit dem 190/190E (W 201) Wirklichkeit. Eine kompakte Limousine mit dem internen Kürzel 118 bringt Mercedes übrigens 2019 auf den Markt: Den CLA (C 118) und den CLA Shooting Brake (X 118).
Doch zurück in die Sechzigerjahre und zu Ludwig Kraus. Der Mexico-Motor hat eine ungewöhnlich hohe Verdichtung von 11:1. Bei Audi wird er als Mitteldruckmotor bekannt. Der Mitteldruck setzt die mechanische Arbeit eines Motors und dessen Hubraum ins Verhältnis. Er ist damit eine Größe, die den Wirkungsgrad eines Motors beschreibt.
In der Werbung wird der neue Motor als Mitteldruck-Motor bezeichnet; die ungewöhnlich hohe Verdichtung liege zwischen Benzin- und Dieselmotor. Tatsächlich wird dem Vierzylinder ein rauer Lauf nachgesagt.
Kraus hat den Auftrag, den Motor in Serie zu bringen und in ein bestehendes Modell einzubauen – den DKW F 102. Logisch wäre, dessen Nachfolger als DKW F 103 auf den Markt zu bringen. Doch DKW steht für Zweitakter, und so kommt der neue Wagen der Auto Union unter dem Namen Audi auf den Markt. Zunächst ohne Modellbezeichnung.
Als später weitere Varianten des ersten Nachkriegs-Audi auf den Markt kommen, nennt man dieses Modell nachträglich 72 – nach seiner Leistung. Nach diesem Muster gibt es auch einen Audi 80, einen 90 Super und einen 60 – den erfolgreichsten Audi der ersten Generation. Zwischen 1968 und 1972 baut Audi über 215.000 Exemplare.
Der nächste Schritt ist ein komplett neues Auto: Kraus entwickelt den 100, obwohl VW-Chef Heinrich Nordhoff Audi die Entwicklung neuer Autos verboten hat. Denn seit 1969 ist die Auto Union eine Tochter der Volkswagen AG. Doch das ist eine andere Geschichte. Den Grundstein für den Aufstieg der Marke Audi zum Mercedes-Konkurrenten legte Ludwig Kraus – ein ehemaliger Mercedes-Ingenieur.
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