Berlin/Brüssel (Reuters) - Trotz Kritik von Autoherstellern und Zurückhaltung Deutschlands ist der Weg für Strafzölle auf Elektroautos aus China vermutlich frei.
Die EU-Kommission hat Insidern zufolge ausreichend Befürworter unter den EU-Staaten für die von ihr vorgeschlagenen Zölle. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagte am Mittwoch, er unterstütze die Pläne der EU-Kommission bei Elektroautos. Europa müsse seine Industrie gegen Konkurrenz aus dem Ausland schützen. Wie Reuters von Insidern erfuhr, wollen auch Italien, Polen und Griechenland für die zusätzlichen Abgaben von bis zu 35,3 Prozent stimmen - damit gilt es als gesichert, dass sie ab Ende Oktober in Kraft treten.
Deutschlands Finanzminister Christian Lindner forderte zugleich die Bundesregierung auf, am Freitag gegen die Abgaben zu stimmen. Ein Handelskrieg mit China schade mehr als er der europäischen Autobranche nutze, sagte er bei einer Veranstaltung des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen (BGA) in Berlin. Allerdings kann auch ein Nein aus Berlin die Zölle nicht verhindern: Nach EU-Regeln wäre dafür eine qualifizierte Mehrheit von mindestens 15 Mitgliedsländern und mindestens 65 Prozent der Bevölkerung nötig. Dieses Quorum dürfte aber nicht mehr zu erreichen sein, weil Frankreich, Italien, Griechenland und Polen schon auf 39 Prozent der Bevölkerung kommen.
AUTOBAUER GEGEN ZÖLLE
Auch die Autohersteller aus Deutschland lehnen die Zölle ab. "Die vorgesehenen Zölle sind ein falscher Ansatz, sie verbessern nicht die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Automobilindustrie", erklärte ein Volkswagen-Sprecher. BMW verwies darauf, dass der wirtschaftliche Erfolg und der Wohlstand in Deutschland maßgeblich von offenen Märkten und freiem Handel abhängen. "Zusätzliche Zölle bewirken aber genau das Gegenteil: Sie schaden global agierenden Unternehmen hierzulande und können einen Handelskonflikt heraufbeschwören, der am Ende nur Verlierer kennt." Mercedes-Chef Ola Källenius sprach sich ebenfalls gegen die Abgaben aus. China habe kein Interesse an einem eskalierenden Handelskonflikt mit Europa.
Bundeskanzler Olaf Scholz fordert zugleich Verhandlungen mit der chinesischen Regierung. "Natürlich müssen wir unsere Wirtschaft vor unfairen Handelspraktiken schützen. Wir müssen auf einem Level-Playing-Field bestehen", sagte Scholz. Auch langanhaltende Dispute etwa mit China dürften aber nicht dazu führen, dass man sich selbst schädige. "Deswegen müssen die Verhandlungen mit China in Bezug auf Elektrofahrzeuge weitergehen." Zugleich forderte der Kanzler, dass die EU "endlich dort anpackt, wo chinesische Billigimporte unserer Wirtschaft tatsächlich schaden, beispielsweise beim Stahl". China solle zudem in der Welthandelsorganisation WTO auf die Sonderbehandlung verzichten, die es durch die Einstufung als Entwicklungsland immer noch in Anspruch nehme.
Sollten die EU-Staaten den Weg für die Zölle frei machen, müssen ab Ende Oktober voraussichtlich für fünf Jahre zusätzliche Abgaben von 7,8 Prozent bis 35,3 Prozent für Elektroauto-Einfuhren aus China bezahlt werden. Betroffen davon sind auch die deutschen Autobauer, die Fahrzeuge wie den elektrischen Mini von BMW oder das Volkswagen-Modell Cupra Tavascan aus der Volksrepublik importieren. Die EU-Kommission hat zugleich deutlich gemacht, dass sie weiterhin mit der chinesischen Regierung über eine politische Lösung verhandeln will. Insidern zufolge könnte es dabei um Mindestpreise für Importfahrzeuge oder Investitionen in der EU gehen.
Die EU-Kommission begründet die Zölle damit, dass Elektroautobauer in China von Subventionen profitierten und deswegen ihre Fahrzeuge günstiger herstellen könnten als Autobauer in der Europäischen Union. Damit drohen den heimischen Herstellern Schäden.
(Bericht von Andreas Rinke, Philip Blenkinsup, Leigh Thomas, Lefteris Papadimos, Giuseppe Fonte, Tassilo Hummel, Victoria Waldersee und Christina Amann; redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter [email protected] (für Politik und Konjunktur) oder [email protected] (für Unternehmen und Märkte).)
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